Die wichtigsten Trends, auf die wir uns in den nächsten 12 Monaten – und darüber hinaus – in Wissenschaft, Technologie und Nachhaltigkeit einstellen sollten.
11.01.2024 | 07:22 Uhr
1. Generative KI professionalisiert sich
Generative KI beherrschte 2023 die Schlagzeilen und sorgte für starke Kursgewinne bei Technologieaktien. Jetzt, da der Hype um die neue Technologie abgeklungen ist, besteht die nächste Herausforderung für die Entwickler darin, sie zu Geld zu machen. Unternehmen setzen zunehmend auf Technologie, um ihre Effizienz zu steigern und kosteneffizienter zu werden, was zu einer starken Nachfrage nach professionellen Anwendungen generativer KI führt. Sie wird uns sicherlich nicht die Jobs streitig machen, denn schliesslich erfordert generative KI menschlichen Input für die Initiierung und anschliessende Verfeinerung und Faktenüberprüfung. Im Gegenteil, sie kann uns sogar produktiver machen. Der GitHub Copilot von Microsoft ist das derzeit beste Beispiel für generative KI, die in Software eingesetzt wird. In einer von Microsoft veröffentlichten Studie waren Entwickler, die das Tool für die Programmierung verwendeten, produktiver – sie lieferten bessere Ergebnisse in kürzerer Zeit (55% weniger Zeitaufwand) und das alles für rund 100 US-Dollar pro Jahr für das Copilot-Abo. Und Salesforce hat vor kurzem den Einstein Copilot auf den Markt gebracht, der unter anderem in der Lage ist, Werbe-E-Mails zu verfassen, Fragen von Kunden personalisiert zu beantworten und Anrufe zusammenzufassen. Doch das ist erst der Anfang: Drei Viertel der Unternehmen, egal welcher Branche, gehen davon aus, dass sie spätestens 2027 mit KI arbeiten werden.1
2. Deep Fakes – eine Herausforderung für die Cybersicherheit
Generative KI kann uns zwar produktiver machen, sie kann aber auch schädliche Desinformationen verbreiten. Deep Fakes, also Medien, die sich bei Video- oder Audioanrufen als Verwandte, Freunde, Chefs oder Kollegen ausgeben, sind immer leichter zu erstellen und immer schwieriger zu erkennen. Und es geht nicht nur um Anrufe: Mithilfe von KI treten hochgradig personalisierte Spear-Phishing-E-Mails, mit denen Malware eingeschleust wird, immer mehr an die Stelle allgemein gehaltener, schlampig verfasster Nachrichten und schädlicher PDF-Anhänge. Ransomware-Angriffe haben seit der Verbreitung der generativen KI stark zugenommen, da Malware viel schneller erstellt werden kann. Dies stellt eine grosse Herausforderung für die Cybersicherheitsbranche dar. Auf der anderen Seite wird die wachsende Bedrohung wahrscheinlich zu mehr Investitionen führen, weil die Regulierungsbehörden Druck machen. Es wird sicherlich ein Wachstum bei Zero-Trust-Lösungen geben, die ununterbrochen die Anmeldedaten von Personen überprüfen, die mit dem Unternehmen interagieren, sowohl intern als auch extern. KI kann auch Teil der Lösung sein, da die Cybersicherheitsbranche Large Language Models (LLMs) so anpasst, dass Angriffe schneller erkannt und potenzielle Bedrohungen durch Schadcode, der von anderen Maschinen geschrieben wird, abgewehrt werden.
3. Kampf gegen den Klimawandel geht in die heisse Phase
Bei der Bekämpfung des Klimawandels lag der Schwerpunkt bisher vor
allem auf der Eindämmung, das heisst der Reduzierung der
Treibhausgasemissionen und der Beseitigung des CO2, das sich bereits in
der Atmosphäre befindet. Doch die Temperaturen steigen weiter, was
deutlich macht, dass die Eindämmung nicht schnell genug vonstatten geht.
Wenn wir überleben wollen, werden wir uns an höhere Temperaturen und
häufiger auftretende Wetterextreme wie Dürren, Überschwemmungen und
Hurrikans anpassen müssen. Auf
der COP28-Konferenz in Dubai im November letzten Jahres verständigten
sich die Länder auf Ziele zur Erreichung des Globalen Ziels zur
Klimaanpassung (Global Goal on Adaptation, GGA), es gibt jedoch noch
Fragezeichen hinsichtlich der Finanzierung dieser Zusagen. Das jährliche
Finanzierungsdefizit für die Anpassung an den Klimawandel beläuft sich
nach Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) auf 366
Mrd. US-Dollar.2
Dem Privatsektor kommt eine Schlüsselrolle bei der Schliessung dieser
Lücke zu. Die Anpassungsmöglichkeiten sind vielfältig, z. B. durch den
Anbau von Kulturpflanzen, die gut mit Dürren zurechtkommen und auch
unter veränderten klimatischen Bedingungen gedeihen, die Entwicklung
einer klimaresilienten Infrastruktur, den Bau von Anlagen für den
Hochwasserschutz, die Planung von wärmereflektierenden Gebäuden, die
Nutzung von Big Data, um das nächste extreme Wetterereignis besser
vorherzusagen, oder die Einrichtung von Frühwarnsystemen. Da 2024 neue
Wetterrekorde zu erwarten sind3, wird die Klimaanpassung eine wichtige Priorität darstellen.
4. Klimafreundliche Gebäude im Kommen
Da immer mehr Menschen in die Städte ziehen, brauchen wir mehr Gebäude, in denen wir leben, arbeiten und die Freizeit verbringen. In der Vergangenheit war das Bauen problematisch für den Planeten: Der Immobiliensektor verursacht rund 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen und beim Bau selbst können erhebliche Mengen Abfall anfallen. Das ändert sich jetzt dank der Innovationen bei Technologie und Baustoffen. So ermöglicht Building Information Modelling (BIM)-Software die digitale Modellierung und Analyse über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden und Infrastrukturen, von der Planung und dem Entwurf bis zum Bau und Betrieb. BIM beinhaltet nicht nur Tools zur Analyse von Umweltfaktoren wie Energie, Wärme und Beleuchtung, sondern kann auch die Vorfertigung erleichtern, was die Baueffizienz verbessert. Und auch innerhalb von Gebäuden trägt Technologie dazu bei, Emissionen zu reduzieren und den Komfort zu maximieren, etwa durch bessere Isolierung oder an das IoT angeschlossene Beleuchtungs- und Gebäudesteuerungssysteme. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur sind die weltweiten Investitionen in die Energieeffizienz von Gebäuden von 140 Mrd. US-Dollar im Jahr 2015 auf geschätzte 190 Mrd. USD im Jahr 2021 gestiegen.
5. Hoffnungsschimmer für Alzheimer-Patienten
Die Alzheimer-Krankheit gibt Wissenschaftlern seit Jahrzehnten Rätsel auf. Weltweit sind fast 30 Millionen Menschen davon betroffen, nicht zu vergessen ihre Familien, die häufig die Pflege übernehmen. Es wird erwartet, dass die Belastung im Zuge der Alterung der Bevölkerung zunehmen wird. Zum Glück gibt es nun endlich Anzeichen für Fortschritte bei der Diagnose und Behandlung. Die US-Behörden haben kürzlich ein Alzheimer-Medikament von Eisai/Biogen zugelassen, und es ist davon auszugehen, dass auch für deren patientenfreundlichere subkutane Verabreichungsform ein Zulassungsantrag gestellt wird. Im kommenden Jahr richten sich alle Augen auf die Einführung der neu zugelassenen Therapien: Lecanemab von Eisai/Biogen und Donanemab von Eli Lilly. Diese neuen Therapien konzentrieren sich auf die Entfernung eines Proteins namens Amyloid aus dem Gehirn. Darüber hinaus besteht die Hoffnung, dass Alzheimer-Patienten in Zukunft früher mit der Behandlung beginnen können, wenn Instrumente wie die blutbasierte Diagnostik zur Verfügung stehen. Das wiederum könnte zu besseren Behandlungsergebnissen führen.
6. Aktive Lebensweise wieder en vogue
Die guten Vorsätze für das neue Jahr, vor allem in Bezug auf
Gesundheit und Fitness, sind oft schon nach wenigen Wochen oder sogar
Tagen passé. Es gibt jedoch immer mehr Hinweise darauf, dass der Wunsch,
ein aktiveres Leben zu führen, mehr ist als eine vorübergehende
Modeerscheinung. Die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, wie wichtig
eine gute Gesundheit ist, ausserdem hatten viele Menschen Zeit, sich
neuen Hobbys zu widmen. Heute, einige Jahre später, boomt die
Fitnessbranche immer noch – in leerstehende Ladenlokale sind
Fitnessketten eingezogen und die Nachfrage nach immer raffinierteren
Gadgets zum Tracken des Fortschritts und für die Motivation ist
ungebrochen. Im kommenden Jahr könnten die Olympischen Spiele in Paris
dem Streben nach einer aktiven Lebensweise und gesünderer Ernährung neue
Impulse geben. Derweil könnte der Erfolg einer neuen Generation von Medikamenten zur Gewichtsabnahme
wie Wegovy, ein Präparat aus der Gruppe der GLP-1-Agonisten, die
Nachfrage nach einer gesunden Lebensweise weiter steigern. Nach einem
Gewichtsverlust ist die Motivation grösser, sich sportlich zu betätigen
und alles dafür zu tun, um sich fit zu halten.
7. Die Erlebniswirtschaft boomt
Sowohl in den USA als auch in Europa sind die Ausgaben für Freizeit- und Kulturaktivitäten mehr als doppelt so schnell gewachsen wie die Wirtschaft insgesamt. Studien zufolge macht es langfristig glücklicher, wenn mehr Geld für Erlebnisse statt für materielle Güter ausgegeben wird, da diese Erlebnisse mit anderen geteilt werden können. Technologie eröffnet neue Möglichkeiten der Interaktion, unter anderem durch Virtual Reality und E-Sports. Aber auch offline gibt es eine wachsende Nachfrage nach Erlebnissen, zum Beispiel im Einzelhandel und Tourismus. Der Reiseboom der letzten Jahre dürfte sich 2024 fortsetzen, gestützt durch elektronische Sprachübersetzer und die Ausarbeitung von Reiserouten durch generative KI. Gemeinsame Erlebnisse werden auch für die öffentliche Hand immer wichtiger, denn der obersten US-Gesundheitsbehörde zufolge stellt Einsamkeit ein ebenso tödliches Risiko dar wie das Rauchen.
[1] https://www.weforum.org/agenda/2023/05/future-of-jobs-technology-skills-workplace/
[2] https://www.reuters.com/sustainability/sustainable-finance-reporting/climate-adaptation-funding-gap-50-higher-than-estimated-un-says-2023-11-02/
[3] https://www.metoffice.gov.uk/about-us/press-office/news/weather-and-climate/2023/2024-first-chance-of-year-above-1.5-c-say-climate-scientists.
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